Abgesagt: 5. Jenischer Kulturtag

Titelbild: ‚Lakerten auf der Handelsschaft‘ – Familie Kayser-Merres-Scheer.
Bereitgestellt von Oliver Kayser, Luxemburg.

Die europäische Minderheit der Jenischen verlangt Anerkennung, Respekt und die Benennung gemäss ihrer Selbstbezeichnung.

Jenischer Europäischer Rat 2019 in einer Petition an den Europarat

Leider mussten wir den 5. Jenischen Kulturtag aufgrund der neuen Bestimmungen und der steigenden Fallzahlen in Österreich und Innsbruck im Speziellen absagen. Wir hoffen darauf einige der Programmpunkte nächstes Jahr nachholen zu können und arbeiten inzwischen im Hintergrund weiter an dem Thema.

Früher zogen Jenische in kleinen Familienverbänden durch das Land, um den Sesshaften ihre Arbeitskraft und handwerklichen Fähigkeiten anzubieten. Als Menschen mit eigenen Lebensweisen, einer eigenen Sprache und eigenständigen kulturellen Traditionen waren sie eine soziokulturelle Minderheit, die schon früh als „Korrnr“ oder „Laninger“ diskriminiert und zur Sesshaftigkeit gezwungen werden sollten. Im Nationalsozialismus wurden Jenische als sogenannte Asoziale verfolgt und ermordet. Doch auch nach 1945 bis in die jüngste Vergangenheit nahm die Unterdrückung und Gewalt kein Ende, etwa durch willkürliche Gefängnisstrafen oder Kindswegnahmen durch die Jugendwohlfahrt, bei der die ihren Familien entrissenen Kinder in anerkannten Institutionen systematisch gequält, geschlagen und erniedrigt wurden. Ein dunkles Kapitel der Geschichte der Jenischen, das bis Mitte der 1980er anhielt und bis heute weiterwirkt.
Die Jenischen Kulturtage wenden sich gegen das Vergessen und treten ein für die Sichtbarmachung der Jenischen Gegenwart und Vergangenheit sowie des Beitrags der Jenischen zur Tiroler Geschichte. Jenseits von herabwürdigender Stereotypisierung und der Romantisierung der fahrenden Lebensweise soll bei den Jenischen Kulturtagen ein realistischeres Bild der teils vergessenen und verschwiegenen, teils noch lebendigen Traditionen, Kultur und Lebensformen gezeichnet werden. In Gesprächen und Erzählungen über damals und heute, über Dokumente und Bilder, in Form von Musik und Handwerk. So freuen wir uns ein weiteres Mal auf einen Tag voller eindrücklicher Begegnungen und regen Austausches!

[Programm zum Download]

PROGRAMM

Kulturbackstube, die Bäckerei. Dreiheiligenstraße 21a. 6020 Innsbruck.

13:30 Uhr Gemeinsames Mittagessen

14:30 Uhr Musikalischer Einstieg und Begrüßung

15:00 Uhr Familienforschung und Akteneinsicht
Bei Recherchen zu Jenischen Vorfahren gibt es viele Hürden und Schwierigkeiten – aber auch Möglichkeiten. Praktische Informationen und Tipps zu Archiven und Zugängen sollen Mut machen und bei der Familienforschung unterstützen.

  • Oliver Seifert Historiker, Leitung des Historischen Archivs im Landeskrankenhaus Hall
  • Ina Friedmann Zeithistorikerin, Verein Wissenschaftsbüro Innsbruck

16:30 Uhr „Jenische Reise. Eine große Erzählung“
Lesung von Willi Wottreng: Geschildert wird die Reise der bald tausendjährigen Anna durch die Jahrhunderte. Wie sie liebt, leidet, kämpft, sich durchschlängelt, alle Gewerbe ausübt und so überlebt. Anna führt uns von Lothringen nach Ungarn, von Antwerpen bis Thessaloniki und in die Schweizer Alpentäler. Ein Bildteppich zur legendenreichen Geschichte jener Hunderttausende Menschen, die heute in Europa eine grenzüberschreitende Volksgruppe bilden: der Jenischen.

  • Willi Wottreng Buchautor und freier Publizist, Geschäftsführer der Radgenossenschaft der Landstraße

18:00 Uhr Anerkennung der Jenischen
Als nationale Minderheit sind die Jenischen bisher nur in der Schweiz anerkannt – Anerkennungsbestrebungen gibt es jedoch mittlerweile sowohl in Österreich, Frankreich, Deutschland und Luxemburg sowie auf europäischer Ebene.

  • Daniel Huber Radgenossenschaft der Landstrasse, Schweiz
  • Heidi Schleich Initiative zur Anerkennung der Jenischen in Österreich
  • Simone Schönett Initiative zur Anerkennung der Jenischen in Österreich
  • Oliver Kayser Sprecher der luxemburgischen jenischen Interessensgemeinschaft ‚Stradegalmele‘

20:00 Uhr Musikalischer Ausklang
Sind die inhaltlichen Diskussionen das Herz der Jenischen Kulturtage, so sind die Musikbeiträge ihre Seele. Jedes Jahr begeistert, berührt und beschwingt der musikalische Ausklang die Besucher*innen und die Veranstaltung – und jedes Mal führen neue Kontakte oder spontane Jam Sessions zu neuen Konstellationen. Gerade dieses Element der Jenischen Kulturtage illustriert eindrücklich, wie aus Begegnungen Neues entstehen kann: Neue Verbindungen, neue Ideen, neue Möglichkeiten.


Save the Book!

Gaismair-Jahrbuch 2021

Das Gaismair-Jahrbuch versammelt kritische Beiträge über zeitgeschichtliche, gesellschaftspolitische und (sub)kulturelle Entwicklungen in Tirol, Österreich und darüber hinaus. Grundintention ist dabei immer, Perspektiven der Veränderung und des Widerstandes gegen herrschaftliche Verhältnisse zu eröffnen, um auf kritische Betrachtungsweisen und Alternativen hinzuweisen.
Das Gaismair-Jahrbuch 2021 widmet sich in einem Schwerpunkt der Anerkennung der Jenischen aus verschiedenen Perspektiven, in Österreich und auf europäischer Ebene. (Studienverlag, voraussichtlicher Erscheinungstermin: November 2020).

Bestellungen für das Gaismair-Jahrbuch: order@studienverlag.at
Weitere Informationen: www.gaismair-gesellschaft.at und www.studienverlag.at


G‘sund bleiben!

Aufgrund der Covid-19 Bestimmungen sind die Sitzplätze in der Kulturbackstube, die Bäckerei, auf 80 Stück begrenzt. Wir bitten deswegen um Voranmeldung per E-Mail an im.tirol@minorities.at oder SMS an +4367763302377. Abseits von den zugewiesenen Sitzplätzen muss in der gesamten Bäckerei zusätzlich ein Mund-Nasen-Schutz getragen und der Mindestabstand eingehalten werden. Danke für eure Unterstützung!
Veranstaltungsänderungen oder aktualisierte Bestimmungen werden auf der Homepage der Intiative Minderheiten Tirol bekannt gegeben: www.minorities.at.